Antrag: | „Irankonflikt: Für die Bewahrung des JCPoA - und eine friedliche, nuklearwaffenfreie Welt“ (BDK) |
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Antragsteller*in: | Sara Nanni |
Status: | Modifiziert übernommen |
Eingereicht: | 08.09.2019, 10:51 |
A10-059 zu A10NEU4: „Irankonflikt: Für die Bewahrung des JCPoA - und eine friedliche, nuklearwaffenfreie Welt“ (BDK)
Titel
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Unsere grüne Friedens- und Außenpolitik
Antragstext
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sehe Teheran keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die Botschaft. Die laut Fachleuten leichte Umkehrbarkeit der bisherigen iranischen Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine
Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den
einseitigen Ausstieg der USA aus der Wiener Nuklearvereinbarung (Joint
Comprehensive Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in
Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht, den Vertrag als
zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit
zusammenbrechen zu lassen. Seit dem Ausstieg Washingtons wurden von US-Seite
unilateral die Wiedereinführung und Verstärkung von nationalen Sanktionen
beschlossen. Ziel ist es, Iran – bisher ohne Erfolg - im Rahmen einer Politik
des „maximalen Drucks“ zu weitreichenden Konzessionen in Hinblick auf sein
ballistisches Raketenprogramm und sein regionales Verhalten sowie einem neuen
allumfassenden Abkommen zu bewegen.
Der JCPoA ist das Ergebnis jahrelanger internationaler Bemühungen, durch
diplomatische Mittel den Streit um das iranische Nuklearprogramm beizulegen und
eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Durch seine Verpflichtungen im
Verbund mit einem präzedenzlosen Transparenzregime, überwacht durch die
Internationale Atom- und Energiebehörde (IAEA), wurde bisher erfolgreich das
Risiko einer atomaren Bewaffnung Irans auf ein beherrschbares Maß reduziert. Vor
vier Jahren wurde die Vereinbarung mit der Resolution 2231 vom VN-Sicherheitsrat
angenommen und ist damit der rechtsverbindliche Rahmen, auf den die
internationale Staatengemeinschaft verpflichtet wurde. In seiner Resolution
fordert der Sicherheitsrat alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen um die Umsetzung der Vereinbarung zu
unterstützen und gleichzeitig Maßnahmen zu unterlassen, welche der Umsetzung der
Verpflichtungen aus dem JCPoA entgegenstehen. Der einseitige Ausstieg der USA
und die Verhängung unilateraler US-Sanktionen stehen dazu in Opposition. Neben
der regelbasierten internationalen Ordnung steht damit auch ein zentrales
Rüstungskontrollregime unter Beschuss.
Ein Ende des JCPOA würde nicht nur eine Katastrophe für die Region mit
unüberschaubaren Konsequenzen einer möglichen Aufrüstungsspirale und eines
nuklearen Wettrüstens bedeuten - sondern würde auch ein fatales Signal der
Unverlässlichkeit und damit Verhandlungs- und Vereinbarungsunfähigkeit an
Staaten wie Nordkorea senden, welche durch diplomatischen und wirtschaftlichen
Druck von ihrem Drang nach Atomwaffen abgebracht werden sollen.
Der JCPoA versprach Iran für eine Begrenzung seiner Nuklearaktivitäten
Sanktionserleichterungen und damit einhergehende wirtschaftliche Entwicklung.
Obwohl sich die anderen Parteien der Vereinbarung - Russland, China, Frankreich,
Großbritannien und Deutschland - gegen die US-amerikanische Linie gestellt haben
reichen ihre bisherigen Bemühungen um Sanktionserleichterungen im Rahmen des
JCPoA nicht aus: Durch die Dominanz des US-Dollars im Welthandels- und
Finanzsystem und die Bedeutung des US-Marktes für europäische, aber auch
chinesische Banken und Unternehmen ist die US-Regierung in der Lage, durch
unilateral verhängte Sanktionen auch nicht-US basierte Unternehmen unter Druck
zu setzten (Sekundärsanktionen) (Sekundärsanktionen). Hier felt den europäischen
Vertragspartnern erkennbar der politische Wille, sich der US-Regierung in diesem
Punkt offen entgegen zu stellen. Alle bisherigen Versuche, die Sanktionen der
USA abzumildern, sind durch den politischen und/oder wirtschaftlichen Druck der
USA ins Leere gelaufen.
Deshalb profitiert der Iran nun nicht mehr wirtschaftlich von den
internationalen Sanktionserleichterungen: Das Land kann kaum mehr Öl
exportieren, europäische Unternehmen haben sich aus Angst vor US-Restriktionen
zurückgezogen, der Handel ist eingebrochen, es gibt kaum mehr Finanzkanäle.
Nicht einmal mehr Medikamente und humanitäre Güter können aufgrund von
Selbstreglementierung und Übererfüllung von Unternehmen und fehlenden
Bankverbindungen geliefert werden - auch wenn die Güter gar nicht von US-
Sanktionen erfasst sind.
Deshalb testet Teheran nun zunehmend Grauzonen bei der Erfüllung seiner
nukleartechnischen Verpflichtungen aus, nachdem sich das Land laut Berichten der
IAEO bis Juni vollumfänglich an diese gehalten hatte. Im Juli hat Iran - von der
IAEO bestätigt -die festgelegte Begrenzung von Beständen an niedrig
angereichertem Uran überschritten und auch mit der schrittweisen Anreicherung
von Uran über die in der Wiener Nuklearvereinbarung (JCPoA) festgelegte
Obergrenze von 3,67% begonnen. Hiermit sollen die Unterzeichnerstaaten unter
Druck gesetzt werden: Falls das Land nicht vom JCPOA wie vereinbart profitiere,
sehe Teheran keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die
Botschaft. Die laut Fachleuten leichte Umkehrbarkeit der bisherigen iranischen
Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine
Verhandlungslösung anstrebt.
Wir fordern deshalb, dass
- die Bundesregierung und die EU sich weiter im Rahmen der GASP zusammen mit
den übrigen Parteien der Vereinbarung China und Russland dafür einsetzen,
die Wiener Nuklearvereinbarung als zentrales rüstungskontrollpolitisches
Instrument zu bewahren.
- die Bundesregierung alle denkbaren Maßnahmen ergreift, um wirtschaftliche
Aktivitäten, die nach europäischem Recht legal sind, abzusichern und den
Handel mit Iran aufrecht zu erhalten. Der Handels- und Zahlungsmechanismus
INSTEX, dessen Ausgestaltung und Funktionalität weiter vorangetrieben und
ausgeweitet werden muss, ist ein erster wichtiger Schritt, damit Iran wie
in der Vereinbarung angelegt wirtschaftlich von Sanktionserleichterungen
profitieren kann. Weitere Maßnahmen müssen aber folgen. Eine Möglichkeit
sind beispielsweise staatlich abgesicherte, multilaterale
Investitionsprogramme für Entwicklungsprojekte, die unmittelbar der
iranischen Bevölkerung zugutekommen.
- andere Länder, dabei insbesondere die Unterzeichnerstaaten China und
Russland, noch stärker gebeten bzw. in die Pflicht genommen werden ihren
Beitrag zum wirtschaftlichen Austausch mit Iran zu leisten, gerade mit
Blick auf Erdölexporte.
- die EU sich stärker mit den anderen Vertragspartnern abstimmt, wann eine
„significant non-performance“ Irans mit Blick auf seine nukleartechnischen
Verpflichtungen vorliegen würde, und sich deutlich gegenüber Iran
positioniert, um eine sukzessive Aushöhlung der Vereinbarung zu verhindern
und damit seine Funktion zu bewahren.
Im Umgang mit den aktuellen Differenzen im transatlantischen Verhältnis
hinsichtlich Iran zeigen sich die Grenzen europäischer Handlungsfreiheit. Dass
die Europäische Union den US-amerikanischen Sekundärsanktionen, die europäische
Unternehmen zwingen sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen, und der Politik
des maximalen Drucks kaum etwas entgegenzusetzen hat, offenbart deutlich das
geringe Maß einer strategischen Autonomie der EU. Dass wir in und als EU nicht
in der Lage sind, Maßnahmen durchzusetzen, wenn die USA das nicht wollen, kann
nicht im Sinne unserer europäischen Friedens- und Sicherheitsinteressen sein. Es
untergräbt unsere wirtschaftliche und politische Souveränität und die
Glaubwürdigkeit der europäischen Außenpolitik
Wir fordern deshalb, dass
- die EU mittelfristig geeignete Maßnahmen ergreift, um ihre
Widerstandsfähigkeit gegen Sekundärsanktionen und damit ihre strategische
Autonomie erhöht. Dazu gehört längerfristig auch eine Stärkung der
globalen Rolle des Euro.
Krise in der Straße von Hormus
Immer mehr wird nun der Persische Golf und die Straße von Hormus zum
Austragungsort des Konfliktes zwischen USA und Iran. Mit großer Sorge beobachten
wir den sukzessiven Aufbau einer militärischen Drohkulisse durch die USA, welche
die Spannungen und das Risiko bewaffneter Zwischenfälle erhöht.
Wir fordern, dass alle Maßnahmen der EU und der Bundesregierung auf eine
Deeskalation im Konflikt zwischen USA und Iran ausgerichtet sind. Vor diesem
Hintergrund lehnen wir die US-Militärmission „Sentinel“ in der Straße von Hormus
und eine deutsche Beteiligung daran ab. Eine „Koalition der Willigen“ unter
Führung der USA, einer der beiden Streitparteien, kann kein Beitrag zur
Entspannung der Lage sein. Gleichzeitig verurteilen wir Irans Politik der
Nadelstiche auf See ausdrücklich. Die Freiheit der internationalen Schifffahrt
und die maritimen Handelswege stehen für uns nicht zur Disposition. Einem
Einsatz der Bundeswehr im Persischen Golf werden wir nur im Rahmen einer
völkerrechts- und grundgesetzkonformen Mission zustimmen - also mit einem Mandat
des VN-Sicherheitsrates.
Wir fordern, dass die EU ein deutliches Gegengewicht zur Logik von Drohungen und
Gegendrohungen setzt, der die Regierungen der USA und des Irans, sowie weitere
Akteure, aktuell folgen. Diese Logik birgt eine enorme Gefahr für
Fehlkalkulationen und eine Eigendynamik, die sich bis hin zum Krieg entwickeln
könnte. Dies wäre schlussendlich einmal mehr Wasser auf den Mühlen all derer,
die überzeugt sind, dass das Streben nach Atomwaffen das einzige Mittel der
wirksamen Abschreckung und Selbstverteidigung sei. Vor allem jedoch droht eine
von der EU und ihren Partner*innen in dieser Frage ungebremste
Eskalationspolitik den gesamten Nahen Osten und seine Bewohner*innen, alle
Nachbarregionen, sowie die Weltwirtschaft durch einen unkalkulierbaren Krieg auf
schlimmste Weise in Mitleidenschaft zu ziehen.
Um aus dieser Sackgasse herauszukommen und auf eine Entspannung in der Region
hinzuarbeiten, braucht es Kommunikationskanäle und eine grundlegende
Verständigung zwischen Washington und Teheran. Wir fordern die Bundesregierung
auf, die US-Seite aufzufordern ein realistisches und glaubhaftes Angebot für
einen politischen Ausweg vorzulegen, welches die Interessenlagen Irans und
anderer regionaler Akteure, allen voran Israel, berücksichtigt.
Denn klar ist: Es wird nicht zu einer nachhaltigen Entspannung in der Region
kommen, solange die unverminderten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch das
iranische Regime kein Ende nehmen, die wir aufs schärfste verurteilen, und
solange es keine Anerkennung des Staates Israel gibt. Wir fordern weiterhin ein
klares Bekenntnis zur Sicherheit Israels gegenüber den Drohungen Irans.
Gleichwohl lehnen wir auch die scharfe Rhetorik des israelischen
Ministerpräsidenten Netanjahu ab, der die hochgeföhrliche konfrontative Haltung
der USA gegenüber Iran unterstützt und immer wieder auch die Idee eines
gezielten Militäreinsatzes und regime change schürt.
Klar ist außerdem: Die aktuellen Bemühungen zur Bewahrung der Wiener
Nuklearvereinbarung dürfen keine Begründung dafür sein, dass sich die
Bundesregierung bei der klaren Benennung der täglichen Verletzungen von
Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien durch das iranische Regime
zurückhält.
Für einen ganzheitlichen Regionalansatz: Deutschland auf Äquidistanz zu Iran und
Saudi-Arabien
Iran ist unter anderem aufgrund seiner Regionalpolitik, dem ballistischen
Raketenprogramm, der feindseligen Haltung gegenüber Israel und der verheerenden
Menschenrechtslage im Land ein problematischer regionalen Akteuren, der schon
aufgrund seiner Größe, geostrategischen Lage und Bevölkerungszahl und damit
seiner regionalen Bedeutung nicht ignoriert werden kann. In einer zunehmend
fragmentierten und von Krisen und Kriegen betroffenen Region ist Iran Teil des
Problems, aber eben auch der Lösung. Unsere Politik gegenüber Iran muss Teil
eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der die gesamte Subregion in den Blick nimmt
und sicherheitspolitische Fragen in einem regionalen Kontext diskutiert.
Langfristig fordern wir einen vertieften Dialog mit Iran sowie zwischen Iran und
den Ländern des Golfkooperationsrats über regionale Konflikte und die Frage, wie
ein Prozess hin zu einer regionalen Sicherheitsarchitektur gestaltet werden
kann. Dies setzt aber voraus, dass wir eine Äquidistanz zu Saudi-Arabien und
Iran einnehmen und die autoritären Strukturen beider Länder, ihre regionalen
Rollen und ihr Ringen um die regionale Vormachtstellung gleichermaßen kritisch
adressieren. Die Doppelstandart-Politik der Bundesregierung, wie sie sich
beispielsweise durch den Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien und im
Fall des saudischen Journalisten Khashoggi offenbart, ist hier kontrapoduktiv
für eine erfolgreiche deutsche und EU-Politik in der Region.
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sehe Teheran keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die Botschaft. Die laut Fachleuten leichte Umkehrbarkeit der bisherigen iranischen Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine
Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den
einseitigen Ausstieg der USA aus der Wiener Nuklearvereinbarung (Joint
Comprehensive Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in
Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht, den Vertrag als
zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit
zusammenbrechen zu lassen. Seit dem Ausstieg Washingtons wurden von US-Seite
unilateral die Wiedereinführung und Verstärkung von nationalen Sanktionen
beschlossen. Ziel ist es, Iran – bisher ohne Erfolg - im Rahmen einer Politik
des „maximalen Drucks“ zu weitreichenden Konzessionen in Hinblick auf sein
ballistisches Raketenprogramm und sein regionales Verhalten sowie einem neuen
allumfassenden Abkommen zu bewegen.
Der JCPoA ist das Ergebnis jahrelanger internationaler Bemühungen, durch
diplomatische Mittel den Streit um das iranische Nuklearprogramm beizulegen und
eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern. Durch seine Verpflichtungen im
Verbund mit einem präzedenzlosen Transparenzregime, überwacht durch die
Internationale Atom- und Energiebehörde (IAEA), wurde bisher erfolgreich das
Risiko einer atomaren Bewaffnung Irans auf ein beherrschbares Maß reduziert. Vor
vier Jahren wurde die Vereinbarung mit der Resolution 2231 vom VN-Sicherheitsrat
angenommen und ist damit der rechtsverbindliche Rahmen, auf den die
internationale Staatengemeinschaft verpflichtet wurde. In seiner Resolution
fordert der Sicherheitsrat alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf,
geeignete Maßnahmen zu ergreifen um die Umsetzung der Vereinbarung zu
unterstützen und gleichzeitig Maßnahmen zu unterlassen, welche der Umsetzung der
Verpflichtungen aus dem JCPoA entgegenstehen. Der einseitige Ausstieg der USA
und die Verhängung unilateraler US-Sanktionen stehen dazu in Opposition. Neben
der regelbasierten internationalen Ordnung steht damit auch ein zentrales
Rüstungskontrollregime unter Beschuss.
Ein Ende des JCPOA würde nicht nur eine Katastrophe für die Region mit
unüberschaubaren Konsequenzen einer möglichen Aufrüstungsspirale und eines
nuklearen Wettrüstens bedeuten - sondern würde auch ein fatales Signal der
Unverlässlichkeit und damit Verhandlungs- und Vereinbarungsunfähigkeit an
Staaten wie Nordkorea senden, welche durch diplomatischen und wirtschaftlichen
Druck von ihrem Drang nach Atomwaffen abgebracht werden sollen.
Der JCPoA versprach Iran für eine Begrenzung seiner Nuklearaktivitäten
Sanktionserleichterungen und damit einhergehende wirtschaftliche Entwicklung.
Obwohl sich die anderen Parteien der Vereinbarung - Russland, China, Frankreich,
Großbritannien und Deutschland - gegen die US-amerikanische Linie gestellt haben
reichen ihre bisherigen Bemühungen um Sanktionserleichterungen im Rahmen des
JCPoA nicht aus: Durch die Dominanz des US-Dollars im Welthandels- und
Finanzsystem und die Bedeutung des US-Marktes für europäische, aber auch
chinesische Banken und Unternehmen ist die US-Regierung in der Lage, durch
unilateral verhängte Sanktionen auch nicht-US basierte Unternehmen unter Druck
zu setzten (Sekundärsanktionen) (Sekundärsanktionen). Hier felt den europäischen
Vertragspartnern erkennbar der politische Wille, sich der US-Regierung in diesem
Punkt offen entgegen zu stellen. Alle bisherigen Versuche, die Sanktionen der
USA abzumildern, sind durch den politischen und/oder wirtschaftlichen Druck der
USA ins Leere gelaufen.
Deshalb profitiert der Iran nun nicht mehr wirtschaftlich von den
internationalen Sanktionserleichterungen: Das Land kann kaum mehr Öl
exportieren, europäische Unternehmen haben sich aus Angst vor US-Restriktionen
zurückgezogen, der Handel ist eingebrochen, es gibt kaum mehr Finanzkanäle.
Nicht einmal mehr Medikamente und humanitäre Güter können aufgrund von
Selbstreglementierung und Übererfüllung von Unternehmen und fehlenden
Bankverbindungen geliefert werden - auch wenn die Güter gar nicht von US-
Sanktionen erfasst sind.
Deshalb testet Teheran nun zunehmend Grauzonen bei der Erfüllung seiner
nukleartechnischen Verpflichtungen aus, nachdem sich das Land laut Berichten der
IAEO bis Juni vollumfänglich an diese gehalten hatte. Im Juli hat Iran - von der
IAEO bestätigt -die festgelegte Begrenzung von Beständen an niedrig
angereichertem Uran überschritten und auch mit der schrittweisen Anreicherung
von Uran über die in der Wiener Nuklearvereinbarung (JCPoA) festgelegte
Obergrenze von 3,67% begonnen. Hiermit sollen die Unterzeichnerstaaten unter
Druck gesetzt werden: Falls das Land nicht vom JCPOA wie vereinbart profitiere,
sehe Teheran keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die
Botschaft. Die laut Fachleuten leichte Umkehrbarkeit der bisherigen iranischen
Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran weiter eine
Verhandlungslösung anstrebt.
Wir fordern deshalb, dass
- die Bundesregierung und die EU sich weiter im Rahmen der GASP zusammen mit
den übrigen Parteien der Vereinbarung China und Russland dafür einsetzen,
die Wiener Nuklearvereinbarung als zentrales rüstungskontrollpolitisches
Instrument zu bewahren.
- die Bundesregierung alle denkbaren Maßnahmen ergreift, um wirtschaftliche
Aktivitäten, die nach europäischem Recht legal sind, abzusichern und den
Handel mit Iran aufrecht zu erhalten. Der Handels- und Zahlungsmechanismus
INSTEX, dessen Ausgestaltung und Funktionalität weiter vorangetrieben und
ausgeweitet werden muss, ist ein erster wichtiger Schritt, damit Iran wie
in der Vereinbarung angelegt wirtschaftlich von Sanktionserleichterungen
profitieren kann. Weitere Maßnahmen müssen aber folgen. Eine Möglichkeit
sind beispielsweise staatlich abgesicherte, multilaterale
Investitionsprogramme für Entwicklungsprojekte, die unmittelbar der
iranischen Bevölkerung zugutekommen.
- andere Länder, dabei insbesondere die Unterzeichnerstaaten China und
Russland, noch stärker gebeten bzw. in die Pflicht genommen werden ihren
Beitrag zum wirtschaftlichen Austausch mit Iran zu leisten, gerade mit
Blick auf Erdölexporte.
- die EU sich stärker mit den anderen Vertragspartnern abstimmt, wann eine
„significant non-performance“ Irans mit Blick auf seine nukleartechnischen
Verpflichtungen vorliegen würde, und sich deutlich gegenüber Iran
positioniert, um eine sukzessive Aushöhlung der Vereinbarung zu verhindern
und damit seine Funktion zu bewahren.
Im Umgang mit den aktuellen Differenzen im transatlantischen Verhältnis
hinsichtlich Iran zeigen sich die Grenzen europäischer Handlungsfreiheit. Dass
die Europäische Union den US-amerikanischen Sekundärsanktionen, die europäische
Unternehmen zwingen sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen, und der Politik
des maximalen Drucks kaum etwas entgegenzusetzen hat, offenbart deutlich das
geringe Maß einer strategischen Autonomie der EU. Dass wir in und als EU nicht
in der Lage sind, Maßnahmen durchzusetzen, wenn die USA das nicht wollen, kann
nicht im Sinne unserer europäischen Friedens- und Sicherheitsinteressen sein. Es
untergräbt unsere wirtschaftliche und politische Souveränität und die
Glaubwürdigkeit der europäischen Außenpolitik
Wir fordern deshalb, dass
- die EU mittelfristig geeignete Maßnahmen ergreift, um ihre
Widerstandsfähigkeit gegen Sekundärsanktionen und damit ihre strategische
Autonomie erhöht. Dazu gehört längerfristig auch eine Stärkung der
globalen Rolle des Euro.
Krise in der Straße von Hormus
Immer mehr wird nun der Persische Golf und die Straße von Hormus zum
Austragungsort des Konfliktes zwischen USA und Iran. Mit großer Sorge beobachten
wir den sukzessiven Aufbau einer militärischen Drohkulisse durch die USA, welche
die Spannungen und das Risiko bewaffneter Zwischenfälle erhöht.
Wir fordern, dass alle Maßnahmen der EU und der Bundesregierung auf eine
Deeskalation im Konflikt zwischen USA und Iran ausgerichtet sind. Vor diesem
Hintergrund lehnen wir die US-Militärmission „Sentinel“ in der Straße von Hormus
und eine deutsche Beteiligung daran ab. Eine „Koalition der Willigen“ unter
Führung der USA, einer der beiden Streitparteien, kann kein Beitrag zur
Entspannung der Lage sein. Gleichzeitig verurteilen wir Irans Politik der
Nadelstiche auf See ausdrücklich. Die Freiheit der internationalen Schifffahrt
und die maritimen Handelswege stehen für uns nicht zur Disposition. Einem
Einsatz der Bundeswehr im Persischen Golf werden wir nur im Rahmen einer
völkerrechts- und grundgesetzkonformen Mission zustimmen - also mit einem Mandat
des VN-Sicherheitsrates.
Wir fordern, dass die EU ein deutliches Gegengewicht zur Logik von Drohungen und
Gegendrohungen setzt, der die Regierungen der USA und des Irans, sowie weitere
Akteure, aktuell folgen. Diese Logik birgt eine enorme Gefahr für
Fehlkalkulationen und eine Eigendynamik, die sich bis hin zum Krieg entwickeln
könnte. Dies wäre schlussendlich einmal mehr Wasser auf den Mühlen all derer,
die überzeugt sind, dass das Streben nach Atomwaffen das einzige Mittel der
wirksamen Abschreckung und Selbstverteidigung sei. Vor allem jedoch droht eine
von der EU und ihren Partner*innen in dieser Frage ungebremste
Eskalationspolitik den gesamten Nahen Osten und seine Bewohner*innen, alle
Nachbarregionen, sowie die Weltwirtschaft durch einen unkalkulierbaren Krieg auf
schlimmste Weise in Mitleidenschaft zu ziehen.
Um aus dieser Sackgasse herauszukommen und auf eine Entspannung in der Region
hinzuarbeiten, braucht es Kommunikationskanäle und eine grundlegende
Verständigung zwischen Washington und Teheran. Wir fordern die Bundesregierung
auf, die US-Seite aufzufordern ein realistisches und glaubhaftes Angebot für
einen politischen Ausweg vorzulegen, welches die Interessenlagen Irans und
anderer regionaler Akteure, allen voran Israel, berücksichtigt.
Denn klar ist: Es wird nicht zu einer nachhaltigen Entspannung in der Region
kommen, solange die unverminderten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch das
iranische Regime kein Ende nehmen, die wir aufs schärfste verurteilen, und
solange es keine Anerkennung des Staates Israel gibt. Wir fordern weiterhin ein
klares Bekenntnis zur Sicherheit Israels gegenüber den Drohungen Irans.
Gleichwohl lehnen wir auch die scharfe Rhetorik des israelischen
Ministerpräsidenten Netanjahu ab, der die hochgeföhrliche konfrontative Haltung
der USA gegenüber Iran unterstützt und immer wieder auch die Idee eines
gezielten Militäreinsatzes und regime change schürt.
Klar ist außerdem: Die aktuellen Bemühungen zur Bewahrung der Wiener
Nuklearvereinbarung dürfen keine Begründung dafür sein, dass sich die
Bundesregierung bei der klaren Benennung der täglichen Verletzungen von
Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien durch das iranische Regime
zurückhält.
Für einen ganzheitlichen Regionalansatz: Deutschland auf Äquidistanz zu Iran und
Saudi-Arabien
Iran ist unter anderem aufgrund seiner Regionalpolitik, dem ballistischen
Raketenprogramm, der feindseligen Haltung gegenüber Israel und der verheerenden
Menschenrechtslage im Land ein problematischer regionalen Akteuren, der schon
aufgrund seiner Größe, geostrategischen Lage und Bevölkerungszahl und damit
seiner regionalen Bedeutung nicht ignoriert werden kann. In einer zunehmend
fragmentierten und von Krisen und Kriegen betroffenen Region ist Iran Teil des
Problems, aber eben auch der Lösung. Unsere Politik gegenüber Iran muss Teil
eines ganzheitlichen Ansatzes sein, der die gesamte Subregion in den Blick nimmt
und sicherheitspolitische Fragen in einem regionalen Kontext diskutiert.
Langfristig fordern wir einen vertieften Dialog mit Iran sowie zwischen Iran und
den Ländern des Golfkooperationsrats über regionale Konflikte und die Frage, wie
ein Prozess hin zu einer regionalen Sicherheitsarchitektur gestaltet werden
kann. Dies setzt aber voraus, dass wir eine Äquidistanz zu Saudi-Arabien und
Iran einnehmen und die autoritären Strukturen beider Länder, ihre regionalen
Rollen und ihr Ringen um die regionale Vormachtstellung gleichermaßen kritisch
adressieren. Die Doppelstandart-Politik der Bundesregierung, wie sie sich
beispielsweise durch den Export von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien und im
Fall des saudischen Journalisten Khashoggi offenbart, ist hier kontrapoduktiv
für eine erfolgreiche deutsche und EU-Politik in der Region.
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