Veranstaltung: | Bundesdelegiertenkonferenz-Vorbereitung BAG Frieden und Internationales |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 14.09.2019, 20:11 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A10NEU14: „Irankonflikt: Für die Bewahrung des JCPoA - und eine friedliche, nuklearwaffenfreie Welt“ (BDK)
Antragstext
Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den
einseitigen Ausstieg der USA aus dem Iran-Nuklearabkommen (Joint Comprehensive
Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in Gang gesetzt
wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht, den Vertrag als zentrales
rüstungskontrollpolitisches Instrument in seiner Gesamtheit zusammenbrechen zu
lassen. Seit dem Ausstieg Washingtons wurden von US-Seite unilateral die
Wiedereinführung und Verstärkung von nationalen Sanktionen beschlossen. Ziel ist
es, Iran – bisher ohne Erfolg - im Rahmen einer Politik des „maximalen Drucks“
zu weitreichenden Konzessionen in Hinblick auf sein ballistisches
Raketenprogramm und sein regionales Verhalten sowie einem neuen allumfassenden
Abkommen zu bewegen.
Das Iran-Nuklearabkommen ist das Ergebnis jahrelanger internationaler
Bemühungen, durch diplomatische Mittel den Streit um das iranische
Nuklearprogramm beizulegen und eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern.
Durch seine Verpflichtungen im Verbund mit einem präzedenzlosen
Transparenzregime, überwacht durch die Internationale Atom- und Energiebehörde
(IAEA), wurde bisher erfolgreich das Risiko einer atomaren Bewaffnung Irans auf
ein beherrschbares Maß reduziert. Vor vier Jahren wurde die Vereinbarung mit der
Resolution 2231 vom VN-Sicherheitsrat angenommen und ist damit der
rechtsverbindliche Rahmen, auf den die internationale Staatengemeinschaft
verpflichtet wurde. In seiner Resolution fordert der Sicherheitsrat alle
Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen um
die Umsetzung der Vereinbarung zu unterstützen und gleichzeitig Maßnahmen zu
unterlassen, welche der Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Iran-
Nuklearabkommen entgegenstehen. Der einseitige Ausstieg der USA und die
Verhängung unilateraler US-Sanktionen stehen dazu in Opposition. Neben der
regelbasierten internationalen Ordnung steht damit auch ein zentrales
Rüstungskontrollregime unter Beschuss.
Ein Ende des Iran-Nuklearabkommen würde nicht nur eine Katastrophe für die
Region mit unüberschaubaren Konsequenzen einer möglichen Aufrüstungsspirale und
eines nuklearen Wettrüstens bedeuten - sondern würde auch ein fatales Signal der
Unverlässlichkeit und damit Verhandlungs- und Vereinbarungsunfähigkeit an
Staaten wie Nordkorea senden, welche durch diplomatischen und wirtschaftlichen
Druck von ihrem Drang nach Atomwaffen abgebracht werden sollen.
DerIran-Nuklearabkommenversprach Iran für eine Begrenzung seiner
Nuklearaktivitäten Sanktionserleichterungen und damit einhergehende
wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl sich die anderen Parteien der Vereinbarung -
Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland - gegen die US-
amerikanische Linie gestellt haben reichen ihre bisherigen Bemühungen um
Sanktionserleichterungen im Rahmen des Iran-Nuklearabkommen nicht aus: Durch die
Dominanz des US-Dollars im Welthandels- und Finanzsystem und die Bedeutung des
US-Marktes für europäische, aber auch chinesische Banken und Unternehmen ist die
US-Regierung in der Lage, durch unilateral verhängte Sanktionen auch nicht-US
basierte Unternehmen unter Druck zu setzten (Sekundärsanktionen)
(Sekundärsanktionen). Hier felt den europäischen Vertragspartnern erkennbar der
politische Wille, sich der US-Regierung in diesem Punkt offen entgegen zu
stellen. Alle bisherigen Versuche, die Sanktionen der USA abzumildern, sind
durch den politischen und/oder wirtschaftlichen Druck der USA ins Leere
gelaufen.
Deshalb profitiert der Iran nun nicht mehr wirtschaftlich von den
internationalen Sanktionserleichterungen: Das Land kann kaum mehr Öl
exportieren, europäische Unternehmen haben sich aus Angst vor US-Restriktionen
zurückgezogen, der Handel ist eingebrochen, es gibt kaum mehr Finanzkanäle.
Nicht einmal mehr Medikamente und humanitäre Güter können aufgrund von
Selbstreglementierung und Übererfüllung von Unternehmen und fehlenden
Bankverbindungen geliefert werden - auch wenn die Güter gar nicht von US-
Sanktionen erfasst sind.
Deshalb unterlässt Iran die Erfüllung seiner nukleartechnischen Verpflichtungen,
nachdem sich das Land laut Berichten der IAEO bis Juni vollumfänglich an diese
gehalten hatte. Im Juni 2019 hat Iran, wie von der IAEO bestätigt – begonnen,
Uran über die im Iran-Nuklearabkommen festgelegten Obergrenze anzureichern
Hiermit sollen die Unterzeichnerstaaten unter Druck gesetzt werden: Falls das
Land nicht vom Iran-Nuklearabkommen wie vereinbart profitiere, sehe Teheran
keinen Nutzen darin, sich weiter an den Vertrag zu halten, so die Botschaft. Die
bisherigen iranischen Maßnahmen deutet aber daraufhin, dass man in Teheran
weiter eine Verhandlungslösung anstrebt.
Wir fordern deshalb, dass
- die Bundesregierung und die EU sich weiter im Rahmen der GASP (Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik) zusammen mit den übrigen Parteien der
Vereinbarung China und Russland dafür einsetzen, die Wiener
Nuklearvereinbarung als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument
zu bewahren.
- die Bundesregierung alle denkbaren Maßnahmen ergreift, um wirtschaftliche
Aktivitäten, die nach europäischem Recht legal sind, abzusichern und den
Handel mit Iran aufrecht zu erhalten. Der Handels- und Zahlungsmechanismus
INSTEX, dessen Ausgestaltung und Funktionalität weiter vorangetrieben und
ausgeweitet werden muss, ist ein erster wichtiger Schritt, damit Iran wie
in der Vereinbarung angelegt wirtschaftlich von Sanktionserleichterungen
profitieren kann. Weitere Maßnahmen müssen aber folgen. Eine Möglichkeit
sind beispielsweise staatlich abgesicherte, multilaterale
Investitionsprogramme für Entwicklungsprojekte, die unmittelbar der
iranischen Bevölkerung zugutekommen.
- die EU sich stärker mit den anderen Vertragspartnern abstimmt, wann eine
„significant non-performance“ Irans mit Blick auf seine nukleartechnischen
Verpflichtungen vorliegen würde, und sich deutlich gegenüber Iran
positioniert, um eine sukzessive Aushöhlung der Vereinbarung zu verhindern
und damit seine Funktion zu bewahren.
Im Umgang mit den aktuellen Differenzen im transatlantischen Verhältnis
hinsichtlich Iran zeigen sich die Grenzen europäischer Handlungsfreiheit. Dass
die Europäische Union den US-amerikanischen Sekundärsanktionen, die europäische
Unternehmen zwingen sich aus dem Iran-Geschäft zurückzuziehen, und der Politik
des maximalen Drucks kaum etwas entgegenzusetzen hat, offenbart deutlich das
geringe Maß einer strategischen Autonomie der EU. Dass wir in und als EU nicht
in der Lage sind, Maßnahmen durchzusetzen, wenn die USA das nicht wollen, kann
nicht im Sinne unserer europäischen Friedens- und Sicherheitsinteressen sein. Es
untergräbt unsere wirtschaftliche und politische Souveränität und die
Glaubwürdigkeit der europäischen Außenpolitik
Wir fordern deshalb, dass
- die EU mittelfristig geeignete Maßnahmen ergreift, um ihre
Widerstandsfähigkeit gegen Sekundärsanktionen und damit ihre strategische
Autonomie erhöht. Dazu gehört längerfristig auch eine Stärkung der
globalen Rolle des Euro.
Krise in der Straße von Hormus
Immer mehr wird nun der Persische Golf und die Straße von Hormus zum
Austragungsort des Konfliktes zwischen USA und Iran. Mit großer Sorge beobachten
wir den sukzessiven Aufbau einer militärischen Drohkulisse durch die USA, welche
die Spannungen und das Risiko bewaffneter Zwischenfälle erhöht.
Wir fordern, dass alle Maßnahmen der EU und der Bundesregierung auf eine
Deeskalation im Konflikt zwischen USA und Iran ausgerichtet sind. Vor diesem
Hintergrund lehnen wir die US-Militärmission „Sentinel“ in der Straße von Hormus
und eine deutsche Beteiligung daran ab. Eine „Koalition der Willigen“ unter
Führung der USA, einer der beiden Streitparteien, kann kein Beitrag zur
Entspannung der Lage sein. Die Freiheit der internationalen Schifffahrt und die
maritimen Handelswege stehen für uns nicht zur Disposition. Einem Einsatz der
Bundeswehr im Persischen Golf werden wir nur im Rahmen einer völkerrechts- und
grundgesetzkonformen Mission zustimmen - also mit einem Mandat des VN-
Sicherheitsrates.
Wir fordern, dass die EU ein deutliches Gegengewicht zur Logik von Drohungen und
Gegendrohungen setzt, der die Regierungen der USA und des Irans, sowie weitere
Akteure, aktuell folgen. Diese Logik birgt eine enorme Gefahr für
Fehlkalkulationen und eine Eigendynamik, die sich bis hin zum Krieg entwickeln
könnte. Wir müssen all denen, die überzeugt sind, dass das Streben nach
Atomwaffen das einzige Mittel der wirksamen Abschreckung und Selbstverteidigung
sei, zeigen, dass dieser Weg ein Irrweg ist. Vor allem jedoch droht eine von der
EU und ihren Partner*innen in dieser Frage ungebremste Eskalationspolitik den
gesamten Nahen Osten und seine Bewohner*innen, alle Nachbarregionen, sowie die
Weltwirtschaft durch einen unkalkulierbaren Krieg auf schlimmste Weise in
Mitleidenschaft zu ziehen.
Um aus dieser Sackgasse herauszukommen und auf eine Entspannung in der Region
hinzuarbeiten, braucht es Kommunikationskanäle und eine grundlegende
Verständigung zwischen Washington und Teheran. Wir fordern die Bundesregierung
auf, die US-Seite aufzufordern ein realistisches und glaubhaftes Angebot für
einen politischen Ausweg vorzulegen, welches die Interessenlagen Irans und
anderer regionaler Akteure, allen voran Israel, berücksichtigt.
Denn klar ist: Es wird nicht zu einer nachhaltigen Entspannung in der Region
kommen, solange die unverminderten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch das
iranische Regime kein Ende nehmen, die wir aufs schärfste verurteilen, und
solange es keine Anerkennung des Staates Israel gibt. Wir fordern weiterhin ein
klares Bekenntnis zur Sicherheit Israels gegenüber den Drohungen Irans.
Gleichwohl lehnen wir auch die scharfe Rhetorik des israelischen
Ministerpräsidenten Netanjahu ab, der die hochgeföhrliche konfrontative Haltung
der USA gegenüber Iran unterstützt und immer wieder auch die Idee eines
gezielten Militäreinsatzes und regime change schürt.
Klar ist außerdem: Die aktuellen Bemühungen zur Bewahrung der Wiener
Nuklearvereinbarung dürfen keine Begründung dafür sein, dass sich die
Bundesregierung bei der klaren Benennung der täglichen Verletzungen von
Menschenrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien durch das iranische Regime
zurückhält.
Für einen ganzheitlichen Regionalansatz
Iran kann aufgrund seiner Größe, geostrategischen Lage und Bevölkerungszahl und
damit seiner regionalen Bedeutung nicht ignoriert werden, ist aber unter anderem
aufgrund seiner Regionalpolitik, dem ballistischen Raketenprogramm, der
feindseligen Haltung gegenüber Israel und der verheerenden Menschenrechtslage im
Land ein problematischer Akteur. In einer zunehmend fragmentierten und von
Krisen und Kriegen betroffenen Region ist Iran Teil des Problems, aber eben auch
der Lösung.
Unsere Politik gegenüber Iran muss dabei Teil eines ganzheitlichen Ansatzes
sein, der auf einer Äquidistanz zu Saudi-Arabien und Iran basiert, die gesamte
Subregion in den Blick nimmt und sicherheitspolitische Fragen in einem
regionalen Kontext diskutiert. Dafür muss die deutsche wie die EU-Politik
gegneüber Saudi-Arabien dringend korrigiert werden: d.h., dass tatsächliche
Verhalten muss angepasst werden, um die autoritären Strukturen beider Länder,
ihre problematischen regionalen Rollen und ihr Ringen um die regionale
Vormachtstellung gleichermaßen kritisch zu adressieren. Vor allem der Export von
Rüstungsgütern sowie jegliche militärische Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien sind
umgehend zu beenden.
Langfristig fordern wir einen vertieften Dialog mit Iran sowie zwischen Iran und
den Ländern des Golfkooperationsrats über regionale Konflikte und die Frage, wie
ein Prozess hin zu einer regionalen Sicherheitsarchitektur gestaltet werden
kann. Die bisherige Doppelstandard-Politik der Bundesregierung ist
kontrapoduktiv für eine erfolgreiche deutsche und EU-Politik in der Region.
Begründung
Die Eskalationsspirale im Konflikt zwischen den USA und Iran, die durch den einseitigen Ausstieg der USA aus der Wiener Nuklearvereinbarung (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPoA) durch US-Präsident Trump im Mai 2018 in Gang gesetzt wurde, dreht sich zunehmend weiter und droht den Vertrag als zentrales rüstungskontrollpolitisches Instrument mit zusammenbrechen zu lassen, mit unvorhersehbaren Konsequenzen bis hin zu Krieg. Gerade auch mit Blick die öffentliche Diskussion rund um einen euopäische Mission im Persischen Golf zentral, unsere Leitplanken festzuklopfen.
Grüße
Dominik und Moritz
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